Widads Geschichte: Widerstandsfähigkeit, Heilung und die Kraft von Bildung

Als Widad gerade einmal 13 Jahre alt war, floh sie mit ihrer Familie unter Beschuss aus ihrer Heimatstadt Sinuni (einem Unterbezirk von Sindschar) und schloss sich Tausenden von Jesidinnen und Jesiden an, die während des Völkermords 2014 aus ihren Häusern vertrieben worden waren. Sie flohen fast ohne Hab und Gut und fanden zunächst Zuflucht im Haus ihres Onkels, wo das wenige Geld, das sie hatten, nach etwa einem Monat aufgebraucht war. Sie erinnert sich, dass sie weggeworfene Kleidung sammelte – alles, was die Nachbarn nicht mehr wollten, sogar Dinge, die weggeworfen worden waren –, nur um über die Runden zu kommen. Schließlich zog die Familie in eine kleine Stadt namens Tigran in Sulaymaniyah, wo sie etwa drei Jahre lang blieb.

Für die meisten ihrer Geschwister bedeutete die Vertreibung ein abruptes Ende ihrer Ausbildung. In Tigran gab es keine arabischsprachigen Schulen, und eine Zeit lang sah es so aus, als würde auch Widads Schulbildung auf unbestimmte Zeit unterbrochen werden. Aber sie weigerte sich, dies zu akzeptieren. Nacht für Nacht weinte sie und flehte ihre Eltern an, sie allein in ein Flüchtlingslager ziehen zu lassen, in dem Verwandte lebten – nur damit sie weiter zur Schule gehen konnte. Es war eine Entscheidung, die kein Teenager treffen sollte, aber sie fasste sie mit Entschlossenheit. Als ihre Eltern schließlich zustimmten, beschrieb sie dies als einen der glücklichsten Momente ihres Lebens.

Als ihre Familie Jahre später nach Sindschar und in ihre Heimatstadt Sinuni zurückkehrte, bot sich ihnen ein Bild der Verwüstung. Ihr Haus war zerstört, und der Ort, an den sie sich so sehr zurücksehnten, glich nun den Zelten, in denen sie während ihrer Vertreibung gelebt hatten. Dennoch gab Widad nicht auf. Sie schloss ihr Studium ab, wurde Krankenschwester und blieb entschlossen, sich weiterzubilden, obwohl junge Frauen im Sindschar nach dem Völkermord nur begrenzte Möglichkeiten hatten.

Als sie von der Zusammenarbeit zwischen NI und Jesuit Worldwide Learning (JWL) erfuhr, eröffneten sich ihr neue Möglichkeiten. Sie schrieb sich für den Englischkurs ein und begann auf Anfängerniveau. Heute lernt sie auf fortgeschrittenem Niveau und hat sich für den Fachkurs „Peace Leader“ (ein weiteres Programm von JWL) beworben, in der Überzeugung, dass dieser ihr helfen wird, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und ihr in Zukunft neue Türen zu öffnen. Die Ausbildung hat nicht nur ihr Selbstvertrauen gestärkt, sondern auch ihr Bewusstsein für neue Möglichkeiten. „Es hat meine Sicht auf die Zukunft sehr positiv verändert”, sagt sie.

Widads Entschlossenheit hat sich zu einem Katalysator innerhalb ihrer Familie und Gemeinschaft entwickelt. Ihre Geschwister nehmen seitdem ebenfalls am Englischkurs teil, und sie teilt das Gelernte mit Nachbarn und Freundinnen. Auch ihre Träume sind gewachsen. Sie träumt davon, eines Tages in Sinuni eine Bibliothek zu bauen, einen Ort, an dem Kinder inmitten von Büchern und Möglichkeiten aufwachsen können, für die sie selbst so hart gekämpft hat.

Widads Weg spiegelt die Widerstandsfähigkeit wider, die im Zentrum des Wiederaufbaus in Sindschar steht: junge Menschen, die sich nach dem Verlust ihrer Angehörigen eine Zukunft aufbauen, Frauen, die den Wandel in ihren Familien und Gemeinschaften vorantreiben, und Rückkehrende, die ihr Leben an Orten wiederaufbauen, die noch immer um den Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen kämpfen. Das Programm, an dem sie teilnimmt – durchgeführt von Jesuit Worldwide Learning (JWL) und finanziert vom L’Oréal Fund for Women – ist Teil einer umfassenderen Initiative zur Unterstützung von Frauen und Jugendlichen in Sindschar, die sich ihre Bildung, ihre Würde und ihre Zukunft zurückerobern wollen.